Mein Leben
mit NDO

Es gibt Themen, über die man eher ungern spricht. Das Blasenmanagement und die damit verbundenen Herausforderungen gehört häufig dazu. Umso wichtiger ist es dieses Thema endlich zu enttabuisieren. Auf die Toilette gehen müssen wir schließlich alle.

Der NDO Blog

Von Mensch zu Mensch

Dieser Blog soll Betroffene einer neurogenen Detrusorüberaktivität unterstützen, zum Austausch anregen und nicht zuletzt einfach Spaß machen – ganz unverblümt und von Mensch zu Mensch.
Authentisch und aus dem wirklichen, meist nicht perfekten Leben, erzählt.


Mobil sein mit einem umgebauten Auto

Allgemeine Beiträge

 

Hi ihr lieben Leserinnen und Leser,

Ich weiß nicht, ob ihr zur Fraktion „Autofahren“ oder zur Fraktion „öffentliche Verkehrsmittel“ gehört. Ich gehöre einerseits durch mein Handicap andererseits auch durch meine Art und Weise, wie ich aufgewachsen bin, zu Fraktion „Autofahren“. Denn ich komme aus einem kleinen 500 Seelen Dorf mitten in Franken und dadurch bin ich und meine Freunde zwangsläufig auf das Auto angewiesen, um möglichst mobil zu sein. Das bedeutet, dass ich zum 18. Geburtstag sowohl den Führerschein gemacht habe als auch ein kleines, altes und günstiges Auto bekommen habe. Das Gefühl, das ich damit verbunden habe, war Freiheit.
Wie ihr inzwischen wisst, hatte ich kurz darauf (um genau zu sein 2 Monate darauf) meinen Wanderunfall, aus dem die Querschnittslähmung resultiert ist. Einer meiner ersten Gedanken danach war: Werde ich je wieder Auto fahren können? Alleine dass dies mein erster Gedanke war, zeigt, wie elementar das Auto für mich und meine Mobilität damals war. Auch im Querschnittszentrum in Bayreuth war eine der ersten Fragen, die ich meinen Sozialarbeiter gestellt habe, wie und ob ich denn jemals wieder Auto fahren könne. Zum Glück lautete seine Antwort: Ja, das werden wir irgendwie hinbekommen.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang „irgendwie“? Es ist letztlich doch ein großer finanzieller und auch organisatorischer Aufwand, um als Tetraplegiker wieder unabhängig und mobil in Form eines Autos zu sein. Denn es braucht zum einen ein passendes Auto, zum anderen den extrem teuren Umbau dieses Autos und zum Dritten eben die Fahrerlaubnis. Gehen wir die einzelnen Punkte nach und nach durch:

1. Das passende Auto

Als Tetraplegiker ist es schon eine riesige Herausforderung, den Transfer vom Rollstuhl zum Beispiel eben auf einen Autositz alleine hinzubekommen. Alleine hierfür habe ich ein gutes Jahr trainiert. Als ich das schließlich hinbekommen habe, folgte die nächste Frage, wie bekomme ich nun auch den Rollstuhl ins Auto bekomme. Paraplegiker bauen in der Regel den Rollstuhl entsprechend mit Rädern, Sitzkissen und Rückenlehnen auseinander, verladen ihn auf den Beifahrersitz oder die Rücksitzbank und bauen den Rollstuhl beim Aussteigen wieder entsprechend zusammen. Für mich als Tetraplegiker ist das, wie sich letztlich herausgestellt hat, eine unrealistische Vorstellung. Somit bleibt nur eine Alternative: Ein Van, in den ich mit einer Rampe hineinfahren kann.
Die Antwort auf die Frage nach einem passenden Auto lautete für mich somit: Es muss ein Van sein.

2. Der Umbau

Die meisten Menschen denken in Bezug auf den Umbau zuallererst an die Rampe beziehungsweise den Lift. Eine Rampe führt in der Regel von hinten in das Auto hinein, während ein Lift zur Seitentür ins Auto hineinführt. Da ich sehr viel reise und dementsprechend viel Gepäck und auch häufig meinen Rugbyrollstuhl mitnehmen muss, war für mich klar, dass ich den Kofferraum für mein vieles Gepäck benötige. Deshalb ist die Rampe als Alternative ausgeschieden und es blieb letztlich der Lift. Darüber hinaus brauchte ich noch einen speziellen Fahrersitz, eine hydraulische Lenkung und ein Handgas mit entsprechender Bremse. Neben den vielen Kleinigkeiten, die auf mich und meine Bedürfnisse angepasst werden mussten, waren das die hauptsächlichen Kostentreiber. Alleine dadurch kann der behindertengerechte Umbau eines solchen Fahrzeugs gut und gerne genauso viel kosten wie das Fahrzeug selbst.
Nun lautet natürlich die Frage, wer diese Kosten trägt. In meinem Fall als Student wurden die Kosten des Umbaus tatsächlich übernommen. Gleiches gilt, wenn der Umbau nötig ist, um etwa einen Beruf auszuüben. In allen anderen Bereichen liegt es mehr oder weniger in der Entscheidungsmacht der betreffenden Behörde beziehungsweise auch am Durchhaltevermögen und der Klagefreundigkeit des entsprechenden Antragstellers, wie letztlich die Entscheidung ausfällt. In meinem Fall war es durchaus ein längeres Hin und her, welches ich letztlich für mich entscheiden konnte. Im Nachgang bin ich unglaublich froh, dass ich diese Energie in diesen Prozess hineingesteckt habe, um inzwischen behaupten zu dürfen, dass ich unabhängig und mobil bin.

3. Der Führerschein

In meinem Fall hatte ich bereits den Führerschein als Fußgänger gemacht. Sollte dies nicht der Fall sein, ist wie bei jedem anderen Autofahrer auch eine komplette Prüfung mit Theorie und Praxis nötig. Hierfür gibt es dementsprechend spezialisierte Fahrschulen für Menschen mit Handicap. Ich dagegen musste lediglich mit meinem umgebauten Fahrzeug eine erneute praktische Prüfung ablegen, um letztlich die Fahrerlaubnis zu bekommen.

Wie ihr seht, es bedarf Aufwand, Durchhaltevermögen und einen guten Durchblick bei den entsprechenden Behörden, um seinen Traum von Mobilität wahr werden zu lassen. Aber: Es lohnt sich!
Ich benötige mein Fahrzeug, um flexibel und pünktlich bei meinen Kunden zu sein, um mit meinen Rollstuhl Rugby Teamkollegen an den verschiedensten Turnieren teilnehmen zu können und auch um privat mit meiner Frau ein aktives Leben führen zu können. Wie ihr bereits herauslesen könnt, möchte ich meinen Van nicht missen.

Alles liebe,
Sebastian

Sebastian Wächter

Sebastian

32 Jahre

Rollstuhl-Rugby-Spieler

Profil

Ein falscher Schritt beim Wandern wird Sebastian Wächter zum Verhängnis. Er stürzt und bricht sich das Genick. Diagnose:
Querschnittslähmung. 95 Prozent seiner Muskeln sind betroffen. Und das mit 18 Jahren...

Bitte beachten Sie, dass die hier enthaltenen Informationen lediglich als Orientierungshilfe dienen und das ärztliche Gespräch nicht ersetzen können.